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Protokoll von Gerrit Gohlke (bkv Potsdam) zu seinem Workshop in Bitterfeld

 

Hier fasse ich nun die Thesen der TeilnehmerInnen zusammen. (Sie überschneiden sich, wider-sprechen sich gelegentlich, ergänzen sich aber meist.) Es handelt sich nicht um Thesen des BKV oder von “Neue Auftraggeber”, sondern Forderungen der Teilnehmer aus der gemeinsamen Diskussion.

1. Arbeitsteilung ermöglichen
Die Möglichkeiten lokaler künstlerischer Projekte hängen immer auch von der Infrastruktur ab, in denen sie organisiert sind. Damit ist aber nicht allein Geld gemeint. Es geht auch darum, wie viel Arbeitsteilung möglich ist. Können Projekte oder Orte Aufgaben teilen, Strukturen zusammen nutzen, mit Institutionen kooperieren?


Arbeitsteilung bedeutet:
• Austausch mit anderen Künstlerinnen und Künstlern.
• Die Entwicklung von Vermittlungsstrategien mit Kuratoren, Kunstvermittlern.
• Die Zusammenarbeit mit Institutionen.
• Die Auseinandersetzung mit den Arbeitsweisen anderer Projekte.

2.  Organisatorische Plattform bauen
Einrichtung einer Anlaufstelle / eines Projektbüros als verbindende Plattform.
Das Büro könnte:
• Tätigkeiten professionalisieren, die die Projekte auslagern   (Akkquise, Antragsunterstützung)
• Technische Infrastruktur bereitstellen
• Kontakte zu Partnerinstitutionen organisieren
• Gastkünstler vermitteln
• Wissen und Know-how sammeln

3. Einrichtung von Mediatoren-Stellen
„Neue Auftraggeber“ lebt von unabhängigen Mediatoren, die nicht allein den Künstlern oder einer Institution verpflichtet sind, sondern auch darin geübt sind, lokale Bedürfnisse zu erheben und
zu vermitteln. Solche Partner könnten in abgewandelter Weise auch lokale Projekte unterstützen,
Druck von den Akteuren nehmen, neue Perspektiven beschreiben und verhärtete Fronten aufbrechen.
Vielleicht könnten entsprechend qualifizierte Vermittler aus Institutionen ja auch temporär,
anlassbezogen zu Projekten hinzugezogen werden, etwa als Moderatoren.


• Mediatoren können Konflikt-/Krisenmanager für Projekte sein
• Sie können Vermittlungsarbeiten übernehmen.
• Sie können gegenüber Fördergebern vermitteln.

4. Bildung eines Pools von Kuratorinnen und Kuratoren
• mit Kenntnis ländlicher Räume
• mit spezifischer Projekt-Erfahrung

5. Zusätzliche spezifische Budgets in der Kulturförderung schaffen
• Finanzierung des lokalen Produktionsmanagements aus eigenen Fonds
• Mittel für die eigentliche, spezifisch auf den ländlichen Raum ausgerichtete künstlerische Produktion
• Innovationsfonds für exzeptionelle Projekte
• Ein neuer Fonds aus referats- und ministeriumsübergreifenden Quellen, der nicht allein Kunst, sondern auch die kulturübergreifenden Leistungen solcher Projekte im gesellschaftlichen Raum unterstützt.

6. Künstlerinnen und Künstler müssen sich politisch Gehör verschaffen
Künstlerinnen und Künstler müssen selbst
• ihre Potentiale offensiver benennen
• für diese Potentiale eingängige Bilder schaffen und in die mediale Öffentlichkeit einbringen

• öffentlich Forderungen stellen
• auf das quantitative Potential aufmerksam machen
• die Verantwortung der Politik einfordern

7. Gründung einer Expertenkommission für Kunst im ländlichen Raum
Benötigt werden unabhängige Experten mit ausgewiesener Expertise ohne lokale Abhängigkeit
• zur Aufdeckung von Defiziten
• zur Benennung neuer Potentiale
• für Förderempfehlungen
• für neue institutionelle Verstetigungen von Best Practice-Projekten im ländlichen Raum

8. Entbürokratisierung von Kunstproduktion
Die Evaluierung und Abrechnung bindet vielfach Energien, überfordert Projekte, geht aber auch an der Zielrichtung und Struktur ländlicher Projekte vorbei. Es leuchtet nicht ein, dass ein kein eigenes Förderangebot für ländliche Projekte und ihre spezifische soziale Funktion gibt, keine eigenen Mittel für den überregionalen Austausch und keine einfach abzurechnenden Mittel für kleine ad hoc-Förderungen gibt. Kleine Projekte können sich die Investition von 50% der Arbeitszeit in Fördermittelakquise schlicht nicht leisten.

9. Kriteriendiskussion
Wann ist ein Projekt erfolgreich? Haben Künstler, Anwohner, Förderer, Institutionen und Politik transparente Kriterien? Sind es die gleichen? Brauchen wir nicht einen Dialog über die Kriterien?
• Erfolgskriterien reflektieren, in Frage stellen und anpassen
• Was ist Erfolg / Effizienz?

10. Identitätsdiskussion und Identitätspolitik
Populistische Parteien eignen sich zunehmend Diskussion an, in der Kunst und Kultur undogmatisch und im Sinne einer offenen Gesellschaft Positionen besetzt haben. Sie reklamieren Region, Heimat und Identität für sich. Kunst muss dringend darauf reagieren:
• Heimatbegriff aufgreifen und „umpolen“
• Identitätsdiskussion von den „Identitäten“ zurückerobern

11. Globale politische Forderungen / Rahmenbedingungen
Neben all diesen pragmatischen Forderungen aus der Praxis sollen Künstler übergreifende, grund-sätzliche Forderungen nicht vergessen:
• Verpflichtung zur Kunst ins Grundgesetz aufnehmen
• Bedingungsloses Grundeinkommen für Künstler / Kulturproduzenten
• Tourismusabgabe für Kunst analog zum Berliner City Tax-Modell

 

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